Freitag, 25. November 2016

Wir und Gottes Antworten



Während des Kreuzwegs mit den Jugendlichen sagte Papst Franziskus, dass die Worte Jesu im Gleichnis über das Jüngste Gericht („Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben …“: Mth 25, 35 – 36) mit vielen Fragen zu tun haben, die unseren Kopf und unser Herz oft beschäftigen und für die es keine menschliche Antwort gibt (Kreuzweg mit den Jugendlichen, Jordanpark, Krakau, 29. 7. 2016).



Wo ist Gott?

„Wo ist Gott?“ Wo ist Gott, wenn in der Welt das Böse existiert, wenn es Hungrige, Durstige, Obdachlose, Heimatvertriebene und Flüchtlinge gibt? Wo ist Gott, wenn unschuldige Menschen durch Gewalt, Terrorismus und Kriege sterben? Wo ist Gott, wenn erbarmungslose Krankheiten Lebensverbindungen und Bande der Liebe zerreißen? Oder wenn Kinder ausgebeutet und gedemütigt werden und wenn auch sie unter schweren Pathologien leiden? Wo ist Gott angesichts der Ruhelosigkeit der Zweifelnden und der seelisch Gequälten?“

Bei diesen Fragen, so zeigt der Papst auf, können wir nur auf Jesus schauen und ihn fragen. Und die Antwort Jesu lautet: „Gott ist in ihnen. Tatsächlich. Gott ist nicht abwesend. Gott leidet mit ihnen allen. Aber da ist noch viel mehr! Er begleitet sie nicht nur, sondern er identifiziert sich mit ihnen, er ist mit ihnen vereint:

„Jesus ist in ihnen, leidet in ihnen, ist zutiefst mit ihnen identisch. Er ist so mit ihnen vereint, dass er beinahe „einen einzigen Leib“ mit ihnen bildet“.


Er nahm alle unsere Armseligkeiten auf seine Schultern

Das ist deutlich erkennbar, wenn man das Leben Jesu betrachtet und besonders seine Hingabe am Kreuz für alle und jeden einzelnen Menschen. Nicht nur unsere Sünden nahm er auf sich, um uns von ihnen und ihren Folgeerscheinungen zu befreien (vor allem vom ewigen Tod), sondern er nahm auch unsere Schmerzen auf sich mit all unseren Armseligkeiten:

„Jesus selbst hat die Wahl getroffen, sich mit diesen unseren von Schmerz und Ängsten geprüften Brüdern und Schwestern zu identifizieren, als er sich entschloss, die Via dolorosa nach Golgota zu gehen. Am Kreuz sterbend überantwortet er sich in die Hände des Vaters und trägt auf und in sich mit hingebungsvoller Liebe die physischen, moralischen und spirituellen Wunden der gesamten Menschheit“.

Aus Liebe zu Gott Vater, der auch leidet in einem Leiden der Liebe zu seinem Sohn und zu jedem einzelnen von uns, und zu allen und jedem einzelnen Menschen aller Zeiten nahm Jesus dies alles auf sich, das ihm viel mehr zur Last wurde als das Kreuz. Da war jeder von uns dabei mit allem, was wir haben und leiden, Kleines und Großes.

Wie ist das möglich, wenn es doch vor zwanzig Jahrhunderten geschah? Wir müssen bedenken, dass Jesu Handlungen, Taten Gottes sind. Deswegen haben sie unendlichen Wert und sind beständig gegenwärtig im ewigen „Heute“ Gottes. Pascal schrieb, dass „Jesus bis ans Ende der Welt in Agonie liegt (Le Mystère de Jésus). Und so ist es. Er war, ist und wird in Agonie liegen, solange es Menschen gibt – auch jeden von uns -, die ihn brauchen, um ihre Erbärmlichkeiten, ihre Wunden zu ertragen.

Und so sieht es der Papst gemeinsam mit der ganzen christlichen Tradition: „Indem er das Kreuzesholz ergreift, umfasst Jesus die Nacktheit und den Hunger, den Durst und die Einsamkeit, den Schmerz und den Tod der Menschen aller Zeiten“. Das ist mit Sicherheit der tiefe Inhalt des Kreuzwegs, der Via Crucis.

So hat das Leiden des Herrn seinen Platz inmitten seiner Barmherzigkeit. Und uns ruft er auf, barmherzig zu sein mit unseren Mitmenschen.


Uns mit Jesus identifizieren, der mit den Leidenden vereint ist

Jesus identifiziert sich mit den Leidenden. Er will, dass wir uns bewusst machen, dass er mit ihnen und in ihnen ist. Wenn es Christen sind, weil sie – in verschiedenen Graden der Fülle – zu seinem mystischen Leib, der die Kirche ist, gehören. Wenn es keine Christen sind, nicht einmal Gläubige irgendeiner Religion, weil sie berufen sind,“ auf verschiedene Weise hingeordnet“ zu diesem Leib, so das II. Vatikanische Konzil (LG 16). Wenn sie gestorben sind, ohne Christus und die Kirche zu kennen, aber die Wahrheit aufrichtig gesucht haben und sich bemüht haben, den anderen zu dienen, können sie in und durch denselben Leib, die Kirche, gerettet werden. Denn jeder, der gerettet wird, wird in und durch das Geheimnis der Kirche gerettet, ob er es weiß oder nicht. Natürlich wünscht Jesus, dass wir alles uns Mögliche tun, damit alle ihn kennenlernen, in seinem Leib leben und bewusst und freudig an der Rettung vieler oder aller teilnehmen.

Daher die große Bedeutung des Fürbittgebetes, der Opfer und der Arbeiten, auch der kleinen und gewöhnlichen Dinge jeden Tages, die wir für die anderen darbringen.

Daher auch die immer dringende christliche Pflicht, die Botschaft des Evangeliums mit unserem Leben und mit unseren Worten zu verkünden, damit alle in diesem Leben die Wahrheit Gottes erkennen können, der die menschgewordene Liebe ist, die uns frei macht (vgl. Joh 8, 32). Er lässt sie alle an seinem liebenden Plan der Rettung durch die Kirche teilnehmen, damit sie in Christus das Leben haben, das das vollständige Leben ist, das Leben in Fülle (vgl. Joh 10, 10).


Die Werke der Barmherzigkeit, Zeichen der Glaubwürdigkeit

Um uns mit Jesus zu identifizieren, der in und mit denen ist, die leiden, lädt der Papst uns ein, die leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit zu leben.

„Sie sind uns eine Hilfe, um uns der Barmherzigkeit Gottes zu öffnen, um die Gnade der Erkenntnis zu erbitten, dass der Mensch ohne Barmherzigkeit nichts tun kann, dass ich, du, wir alle ohne die Barmherzigkeit nichts tun können“. Dort finden wir Jesus, dort berühren wir ihn selbst, der uns dieses “Protokoll“, nach dem wir gerichtet werden, erklärt hat; denn jedes Mal, wenn wir dies dem Geringsten unserer Brüder tun, tun wir es ihm (vgl. Mth 26, 31 – 46).

Wie wir die körperlich und seelisch Verwundeten aufnehmen, davon hängt nicht nur unser ewiges Heil ab, sondern auch unsere Glaubwürdigkeit als Christen, hier und jetzt.

„Mit der Aufnahme des Ausgegrenzten, der leiblich verwundet ist, und mit der Aufnahme des Sünders, der seelisch verwundet ist, steht unsere Glaubwürdigkeit als Christen auf dem Spiel! Nicht mit den Ideen: dort!“

Deshalb, betont der Papst, „angesichts des Bösen, des Leidens und der Sünde ist die einzig mögliche Antwort für den Jünger Jesu die Selbsthingabe, sogar bis zum Tod – genauso wie Christus; es ist die Haltung des Dienstes. Wenn jemand, der sich Christ nennt, nicht lebt, um zu dienen, dann dient er nicht für das Leben. Mit seinem Leben verleugnet er Jesus Christus“.


Wir gehören zur Antwort Gottes

Deshalb ist der Weg des Kreuzes, den Jesus uns mit unserem Leben zu gehen einlädt, indem wir seinen Schritten am ersten Karfreitag folgen, und der über die persönliche Verpflichtung und die Selbsthingabe führt, der Weg des Glücks. Und der Papst fügt hinzu, dass wir Christen, jeder einzelne von uns, ein Teil dieser konkreten Antwort Gottes sind – sein müssen - auf die Nöte und Leiden der Menschheit, denn er möchte, dass wir ein Zeichen seiner barmherzigen Liebe sind!

„Der Weg des Kreuzes ist der Weg des Glücks, Christus bis zum Äußersten nachzufolgen, in den oft dramatischen Umständen des Alltagslebens. Es ist der Weg, der keine Misserfolge, Ausgrenzungen oder Einsamkeiten fürchtet, weil er das Herz des Menschen mit der Fülle Jesu sättigt. Der Weg des Kreuzes ist der Weg des Lebens, der Weg im Stile Gottes, ein Weg, den Jesus uns auch auf den Pfaden einer manchmal gespaltenen, ungerechten und korrupten Welt gehen lässt“.

Papst Franziskus betont: „Der Weg des Kreuzes ist keine sadomasochistische Gewohnheit; der Weg des Kreuzes ist der einzige, der die Sünde, das Böse und den Tod besiegt, weil er in das strahlende Licht der Auferstehung Christi mündet und so die Horizonte des neuen und vollen Lebens öffnet. Es ist der Weg der Hoffnung und der Zukunft. Wer ihn mit Großherzigkeit und Glauben geht, schenkt der Menschheit und der Zukunft Hoffnung“.


Jesus liegt heute noch in Agonie, auch in seinen leidenden Gliedern, in allen, die leiden. Und wir Christen und alle Menschen auf der Welt, wir sind ein Teil der Antworten Gottes, die so viele Menschen brauchen.



                                             Publiziert am Samstag, dem 30. Juli 2016

                                                               übersetz von I. R. 


(siehe in spanisch)
(ver en español)

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